Wie göttlich ist die Liebe?
Wir sind uns wohl alle einig, dass Liebe etwas mit Gefühl zu tun hat. Ja mehr noch, Liebe ist das Gefühl schlechthin, welches sich sehr leicht zu Emotionen hochschwingt. Einen Menschen zu sehen, der im Liebestaumel sogar die angebetete Person umbringt, ist wegen der Brutalität sicher die Ausnahme, jedoch lange nicht unmöglich. Das Wort „Affekt“ findet sich in solch einem Zusammenhang zuweilen auch schnell wieder. Und dass aus Liebe recht schnell mal richtiger Hass wird, der dann richtig lange anhalten kann, ist weitläufig bekannt. O ja, wenn die eine Liebe von einer anderen abgelöst wird, passiert das beim Gehörnten manchmal quasi über Nacht und recht heftig und nachhaltig.
Wir lieben also. Hat aber jene durch und durch gefühlsbetonte Gemütslage irgendetwas mit dem zu tun, wie wir uns Gᴏᴛᴛ gegenüber verhalten sollen? Sollen wir unseren Glauben an Iʜɴ tatsächlich an Gefühlen festmachen, die uns permanent einen Streich spielen und uns das klare Denken vernebeln? Sollen wir dann Gᴏᴛᴛ wirklich lieben?
In diesem Zusammenhang kann man sehr gut das Gesetz Mose heranziehen, welches er von Gᴏᴛᴛ erhalten haben soll: Du sollst Gᴏᴛᴛ lieben mit ganzer Seele, mit ganzem Herzen, mit ganzer Kraft und mit ganzem Geist!
- Seele: Die Seele ist von Gᴏᴛᴛ. Ich kann mich ihrer nicht bedienen.
- Herz: Wie kann ein böses Herz Gutes hervorbringen?
- Kraft: Voller Sünde bin ich vollkommen kraftlos.
- Geist: Mein Geist sagt mir, dass es nur um mich geht.
Wir sollten also erst gar nicht versuchen, Gᴏᴛᴛ zu lieben. Doch können wir das tun, was wirklich Not tut: Gᴏᴛᴛ gegenüber vollkommen demütig sein. Können wir das? Die Antwort ist eindeutig „nein“. Aber der eiserne Wille dazu ohne „Wenn und Aber“ wird die Gnade Gᴏᴛᴛᴇs über denjenigen bringen, der sich wirklich bemüht.
Gᴏᴛᴛ erkennt man eben nicht durch Gefühlsduselei. Gefühle sind Schwankungen unterworfen. Schwankungen beim Glauben an Gᴏᴛᴛ können jedoch keinesfalls hingenommen werden. An Gᴏᴛᴛ dran bleibt man außerdem nicht, weil man eine Liebesbeziehung zu Iʜᴍ aufbauen möchte, egal wie die auch aussehen mag. Es ist nun einmal nicht möglich, eine halbwegs vernünftige Liebesbeziehung zu irgendjemanden aufzubauen, wenn diese Liebe objektiv nie beantwortet wird und subjektiv lediglich als Zusage in Büchern geschrieben steht. Dazu kommt, dass im Falle Gᴏᴛᴛᴇs, Eʀ in den Schriften der Bibel durchaus auch als menschenverachtendes Monster dargestellt wird. Eine unbeantwortete Liebe äußert sich entweder in extremen Verhalten oder Vergessen. Das war es dann auch.
Gᴏᴛᴛ ist Gᴏᴛᴛ. Was Gᴏᴛᴛ tut, ist ausnahmslos richtig und gut. Eʀ ist Sɪᴄʜ bewusst, dass Eʀ den Menschen nach Sᴇɪɴᴇᴍ Bilde geschaffen hat. Deshalb musste Eʀ nicht mit dieser Leistung zufrieden sein, sondern Eʀ gab maximal eine Feststellung für den Menschen ab, die ihm ab diesem Moment als Gewissheit seiner Daseinsberechtigung in außergewöhnlicher Beschaffenheit dient – der Mensch ist schließlich perfekt. Und Gᴏᴛᴛ wandelte mit ihm im Garten Eden, auch ohne den Menschen zu lieben. Würde Gᴏᴛᴛ lieben, wäre der Mensch schon lange wegen seiner Boshaftigkeit untereinander und Gᴏᴛᴛ gegenüber wieder von Iʜᴍ von dieser Erde getilgt worden. Liebe ist eine vom Menschen nicht kontrollierbare Seite seiner Gefühlswelt, welche sich zum einen aus der Bindungsfähigkeit des Menschen zu Gᴏᴛᴛ und der Geschlechter untereinander und zum anderen dem Verlust des Garten Eden als Heimstatt herausgebildet hat. Der Sündenfall selbst trug selbstverständlich seinen gehörigen Teil dazu bei, als die Unschuld der anfänglichen Scham wich und man kurz vor dem Verweis aus dem Garten Eden Unterschiede zwischen den Geschlechtern erkannte. Doch diese Scham ist seit Langem dem Reiz restlos gewichen.
Grundsätzlich sind wir als Mensch jeder für sich allein auf dieser Erde. Jeder wacht morgens für sich selbst auf, sitzt tagsüber irgendwann einmal für sich selbst auf der Toilette, nimmt für sich selbst Speisen zu sich, schläft für sich selbst ein und träumt für sich selbst. Der Partner ist, auch wenn es schmerzt, nebensächlich, wenn es um die ureigenen Prozesse des menschlichen Körpers geht. Spätestens, wenn man stirbt, wird das jeder verstehen (müssen). Egal wie viel Eltern, Partner, Kinder, Freunde, Bekannte, Fremde, Pfarrer und Ärzte um einen herumstehen – gestorben wird nämlich auch nur für sich selbst.
Der Mensch möchte aber nicht allein sein.
Hier setzt die Liebe ein, die ganz gewiss dafür sorgt, dass Kinder gezeugt werden, obwohl die Eheschließungsraten eher nach unten und die Scheidungsraten eher nach oben gehen. Als Grundlage für eine gemeinsame (fruchtbare) Zukunft wird die Liebe anscheinend immer weniger gesehen. Die Menschheit setzt auf Individualismus, da ist das Achtgeben auf die Bedürfnisse eines Partners oder gar Kindes eher hinderlich.
Inwieweit kann unter diesen Umständen die Liebe noch ein Gefühl sein, auf das man sich verlassen kann oder sogar sollte? Kann sie gar als Größe für Glück herhalten? Was kann man von Liebe erwarten, wenn man stets darauf bedacht sein muss, den anderen nicht zu verletzen, gerade wenn man es ganz sicher nicht möchte? Gibt es überhaupt eine Liebe, die bedingungslos ist? Wenn nein, warum wird dann so ein Geschrei um etwas gemacht, was nicht zu Gᴏᴛᴛ hinführt, sondern von Iʜᴍ weg?
Die Liebe wird gerade wegen ihrer extremen Natur vom Menschen gesucht. Nur dieses Extrem verspricht ein Leben ohne Langeweile, nur dieses Extrem setzt ungeahnte Kräfte frei, nur dieses Extrem lässt ihn alles Negative vergessen, nur dieses Extrem lässt ihn gar ein völlig anderer Mensch werden. Und das alles ohne Drogen. Es ist natürlich schöner, als Zentralfigur eines neuen Schauspiels die ganze Welt umarmen zu können, als traurig in dieser Welt eine schnöde Nebenrolle zu spielen. Das ist alles verständlich. Die Flucht in Gefühlsabenteuer ist sehr oft ein wahrer Kick, doch leider endet so ein Kick genauso oft auch wieder mit schmerzenden psychischen und körperlichen Wunden. Der einzige Ausweg ist, möchte man sich nicht komplett aus dieser Welt zurückziehen … natürlich die Liebe. Kann es das sein? Ist es nicht besser, Vernunft an den Tag zu legen, bevor das Gefühl die Vernunft in Seidentücher hüllt?
Doch von woanders her als von Gᴏᴛᴛ kann diese einzig wahre Vernunft kommen?
Letzte Aktualisierung am 26. Dezember 2024